Wo es mir denn bei all meinen Reisen und Expeditionen am besten gefallen habe auf dieser Erde, werde ich gelegentlich gefragt. Dann fließen in meinem Gehirn die Bilder vorbei wie auf einem alten Film. Da fallen mir dann so manche Erlebnisse ein, die sich für immer in mein Gedächtnis gebrannt haben.
Eine klare Antwort aber blieb ich immer schuldig. Ich hatte zu viele schöne Landschaften gesehen und war vielen interessanten Menschen begegnet.
Natürlich nahmen Reisen nach Sibirien, Patagonien, Neuseeland, Brasilien und Südafrika schon allein wegen ihres exotischen Charakters und der kulturellen Nabelschau eine besondere Rolle ein. Aber weite Entfernung allein nahmen mit zunehmender Zeit an Wert und Inhalt der Reisen ab.
Das Gute liegt so nah…
Bald stellte ich fest, dass man nicht in die Ferne reisen muss, um in andere Welten einzutauchen. Denn:…das Gute liegt oft so nah.
So wurden Reisen innerhalb Europas immer interessanter für mich,- und weniger anstrengend. Mehr und mehr nahm mich der Norden des Kontinents in seinen Bann. Großartige Natur, wenige Menschen und eine gute Kultur des Miteinander und sicheres Fortkommen zogen mich immer mehr an.
Aber auch der Süden Europas strahlte mit einigen positiven Merkmalen. Gutes Klima, schmackhaftes Essen und die unkomplizierte Lebensweise machen das Leben angenehm.
Grönland und Venedig
Nun gilt es ja hier und heute über unsere Fotoreise nach Grönland zu berichten. Man ahnt wohl schon das lange Ausholen, um auf den Punkt zu kommen.
Ja, heute kann ich die Frage nach meinen liebsten Ziele beantworten: es sind tatsächlich Grönland im hohen Norden und Venedig im Süden des Kontinents.
Beide Regionen zeigen einzigartige Merkmale: grandiose Natur (Grönland) und kulturelles Ambiente (Venedig im Winter). Und beiden ist gemein, dass sie vor Hast, Lärm, schlechter Luft verschont sind. Für Venedig trifft dies natürlich nur für das Winterhalbjahr zu.
Dem Wasser so nah…
Wasser, Berge, Weite und die wohl beste Luft auf dem Planeten bietet Grönland. Bei Venedig stehen dafür auch Wasser, keine lärmenden Autos und oder knatternde Motorräder und das Gefühl in einem lebendigen Museum zu leben.
Grönland als größte Insel der Erde hat viel Platz, auch wenn der weit überwiegende Teil des Eilandes mit Eis bedeckt ist. Allerdings muss man durch den einen oder anderen „Flaschenhals“ in den Einfallstoren und begehrtesten Regionen. Von Ort zu Ort kommt man nur per Fuß, Flugzeug oder Boot/Schiff. Straßenfahrzeuge gibt es in den kleinen Städten nur innerorts oder zum Anlegeplatz der Überseeschiffe ein paar Kilometer außerhalb.
Dass Geduld gefordert wird, wenn man den Ort wechseln möchte, bekamen auch wir wieder zu verstehen bei unserer gerade beendeten Fotoreise nach Kangerlussuaq und Ilulissat an der Discobucht. Immer ist man auf ein Boot angewiesen, um sich hinaus zu bewegen in die stille Natur oder die vorgelegten Insel und mächtigen Gletscherabbrüche.
Gute Logistik
Um zum Boot zu gelangen oder dem Startpunkt einer Wanderung, bedarf es guter Logistik. So ist es schon ein kleines Abenteuer, nachts nach der Polarlicht-Fotografie einige Kilometer in zum Teil steilen Gelände zurück zum Hotel zu kommen. Am Ende gibt es aber doch immer eine Lösung.
Ich kenne Grönland seit mehreren Jahrzehnten mit kühlem, aber sonnigem Wetter im Sommer und trockener Kälte im Winter. Umso überraschender erlebten wir diesmal an wenigen Tagen auch einige Stunden Regen. Ob der viel geschmähte Klimawandel die Ursache ist dafür ist, sei dahingestellt. Bei unserer Grönland-Reise im Juni diesen Jahres und dem Trip im September vergangenen Jahres jedenfalls zeigte sich das Wetter noch trocken-stabil.
Schnee fällt auf den Gletscher
Schon am Internationalen Flughafen Kangerlussuaq nach viereinhalb Stunden Flug von Kopenhagen machen wir einen kurzen Ausflug in die Tundra. Dabei sehen wir sowohl den Eisabbruch in der Ferne wie auch einige Moschusochsen, die wir aber nur mit kräftigem Teleobjektiv auf den Sensor bannen können.
Am nächsten Tag fahren wir mit einem in die Jahre gekommenen Allrad-Lkw an die Stelle, wo sich Fels und Eis begegnen. Auf die Minute genau beginnt es zu schneien, als wir zu einem Ausflug auf den Gletscher starten. Die dicken Schneeflocken bedecken die riesige Eisfläche mit einem rein-weißen Teppich. In der epischen Stimmung bieten sich ungewöhnliche Foto-Motive.
Nach zwei Übernachtungen neben der Landepiste in Kangerlussuaq fliegen wir weiter mit einem „Regional-Flieger“ nach Ilulissat, einem der interessanten Orte Grönlands an der Discobucht. Dort fahren wir mit Booten zu dem Fischerdorf Rodebay, erleben den lärmenden Gletscherabbruch des Eqi und durchkreuzen die Mündung des Eisfjordes, durch die sich gewaltige Massen an Eis langsam aufs offene Meer schieben.
Kirche als Schule
Faszinierend sind alle Ausflüge gleichermaßen, wenn auch mit unterschiedlichen Eindrücken. So erleben wir in Rodebay (die rote Bucht, in der früher gefangene Wale geschlachtet wurden) den langsamen Gang der Dinge. Hier leben je nach Jahreszeit zwischen 32 und 50 Menschen. Die Kirche dient gleichermaßen als Schule und Versammlungsraum. Gearbeitet wird fischend auf dem Wasser oder fischverarbeitend in einer kleinen Fabrik. Touristen sind nur in kleinen Gruppen unterwegs und stören den Gleichklang des Ortes nicht.
Für uns Fotografen bietet der Ort viele interessante Motive. Die bunten Holzhäuser fügen sich in das felsige Gelände ein, das Gras, die Flechten und Moose leuchten in intensiver Farbe. Keller gibt es auf dem granitharten Untergrund nicht, gelagert wir unter und um das Haus herum.
Der Regen treibt uns nach zwei Stunden intensiver Fotografie in das kleine Restaurant „H8“, in dem es als Trost ein köstlich-frisches Essen mit Fisch, Krabben, Wal-, Rentier- und Mochusochsenfleisch. Kürzt das Nass von oben unsere Fotosession ab, so bringt es vorübergehend auch die kräftigen Farben der Flechten und Häuser zum Ausdruck.
Eiskolosse
Bei einer ausgiebigen Wanderung durch natürliches Gelände entlang dem Icefjord werden wir tags darauf mit unzähligen Motiven konfrontiert. Wie klein und unbedeutend kommt man sich da vor im Verhältnis zu diesem kolossalen Naturgebaren.
Beim Ausflug per Boot zum Eqi, einem der ungewöhnlich „produktiven“ Gletscher, werden nicht nur unsere Augen verwöhnt, sondern auch die Ohren durch krachende Eisabbrüche. Die folgenden Wellen lassen unser Boot gleichmäßig im Wasser schaukeln, und wir erahnen, welch gewaltige Wasserbewegungen bei „Großereignissen“ zu Tage treten. Sicherheitsabstand ist deshalb geboten von der 150 Meter hohen und drei Kilometer breiten Gletscherwand.
Gewaltige Eisberge aus der Wasserhöhe betrachten und fotografieren wir bei der Fahrt mit einem kleinen Boot in der Mündung des Icefjordes. Hier stranden die größten der kalten Riesen an einer rund 200 Meter tiefen Moränenablagerung, was zu einem fast 60 Kilometer langen Stau im Fjord führt. Der Sermeq Kujalleq ist einer der aktivsten Gletscher auf der Erde mit einer täglichen „Produktion“ von rund 70 Millionen Tonnen Eis. Vom Kalben am Gletscher bis zur Mündungen des Fjordes sind die Eismassen mehr als ein Jahr unterwegs.
Wale zwischen Eisbergen
Zum Abschluss der interessanten Fahrt zeigen sich noch zwei Buckelwale, die zwischen den Eisbergen ein spannendes Motiv abgeben. Schon auf unserer Fahrt nach Rodebay waren wir zwei Finn- oder Seiwalen begegnet, die Fotografen meist ein nicht so ergiebiges Motiv liefern, da sie ohne Flunkenschlag abtauchen und rund eine halbe Stunde oft weit entfernt wieder auftauchen.
Natürlich gehört zur nächtlichen Arktis auch das Polarlicht, das sich auch uns nach geduldigem Warten gezeigt hat. Von unserem gut gelegenen Standort am Fjordufer erleben wir damit sowohl die Goldene wie auch die Blaue Stunde und das nächtliche grün-geprägte Schauspiel um Mitternacht.
Als Abschiedsgeschenk präsentierte sich der nächtliche Himmel am letzten Tag ohne Vorankündigung nochmals mit einer mehrfarbigen, rauschenden Vorführung.
Ach ja, zum Abschluss verrate ich noch die weiteren „schönsten“ Reiseziele, die ich erleben durfte. Mit knappem Abstand, fast gleichwertig mit Grönland und Venedig folgen die Lofoten in Nordnorwegen, Teneriffa und last not least jeweils die „Heim“reise nach jedem Ausflug in die weite Welt in „mein“ vertrautes Glückstadt…