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Fotoreise Harz vom 16.10 - 23.10.2021

Auf die Berge will ich steigen,
Wo die dunkeln Tannen ragen,
Bäche rauschen, Vögel singen,
Und die stolzen Wolken jagen.

Auszug aus: Heinrich Heine „Die Harzreise“

Seit jeher hat der Harz, das höchste Gebirge Norddeutschlands, mit seiner wild-romantischen Landschaft eine große Faszination auf die Menschen ausgeübt. So war es nur folgerichtig, dass viele große Dichter Ende des 18. (Goethe) und Anfang des 19. Jahrhunderts (Heine) diese Region für sich entdeckten, bereisten, sich inspirieren ließen und damit den Grundstein für den Tourismus im Harz legten. In der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts ließ die Anziehungskraft des Harzes allerdings nach: Der Ostteil wurde größtenteils Sperrgebiet, während der Westteil in eine Art touristischen Dornröschenschlaf fiel und teils etwas spießig daherkam: Stichwort „Fremdenzimmer“. Nach der Wiedervereinigung wurde die Gegend dann neu entdeckt und vor allem der Ostharz profitierte von Fördergeldern, auch und besonders von denen der UNESCO.

Beste Voraussetzung also für die zweite Harz-Reise im Rahmen der Freiraum Heimspiele. Unser Stützpunkt ist auch dieses Mal wieder das bewährte Hotel Domschatz in der Weltkulturerbe-Stadt Quedlinburg. Nicht nur, weil wir hier, direkt vor unserer Tür, zu jeder Tageszeit und Lichtstimmung das schöne Fachwerk fotografieren können. Nein, auch weil sich im Umkreis von nur 30-40 km weitere unzählige fotografische Leckerbissen befinden. So können wir flexibel und schnell auf sich ändernde Wetter- und Lichtverhältnisse reagieren.

Das absolute landschaftliche Highlight ist dabei die Teufelsmauer, eine 20 km lange Sandsteinformation, die von Ballenstedt über Rieder und Weddersleben bis nach Blankenburg verläuft. Sie tritt an vier markanten Stellen mit bis zu 20m hohen, freistehenden Felsen aus ihrer Umgebung hervor. Fotografisch ergeben sich unzählige Möglichkeiten der Perspektive, des Standortes, des Lichteinfalls und des Einsatzes der unterschiedlichsten Brennweiten von Ultra-Weitwinkel bis Tele, und auch unsere Verlaufsfilter kommen zum Einsatz. So mancher ist erstaunt, wenn ein vermeintlich langweiliger Himmel mit dem Verlaufsfilter plötzlich Strukturen bekommt. Als Zugabe zu diesem Spektakel gibt es eine traumhafte herbstliche Laubfärbung.

Aber der Harz hat einiges mehr zu bieten. So zum Beispiel die Täler von Selke und Bode mit vielen kleinen Wasserfällen und Stromschnellen. Hier gilt es, die optimale Belichtungszeit in der Langzeitbelichtung herauszufinden, damit das über die Steine fließende Wasser weich und dennoch mit leichten Strukturen abgebildet wird. Genau das Gegenteil, nämlich kurze Belichtungszeiten, erfordert das Fotografieren der Dampfloks der Harzer Schmalspurbahn. Die Züge sind wahrlich nicht schnell, aber schon Verschlusszeiten von länger als einer 5/100 Sekunde können zu Bewegungsunschärfe führen. Mit einem Fahrplan bewaffnet ergeben sich in den Tälern vielfältige Möglichkeiten, die Dampfzüge abzulichten.

Nicht nur „Ausweich-Location“ bei Regenwetter ist das Schaubergwerk Erzgrube Büchenberg in Elbingerode. Man kann sich beliebig lange im Stollen aufhalten, in aller Ruhe fotografieren und der Einsatz eines Stativs ist hier, im Gegensatz zu manch anderer Einrichtung dieser Art, kein Problem. Alte Gerätschaften und interessante Gesteinsstrukturen sind interessante Motive in der Totalen und im Detail.

Aber auch die Architektur muss im Harz nicht zu kurz kommen! Die Fachwerkbauten unserer „Home Base“ Quedlinburg wurden ja schon erwähnt. Vielleicht noch etwas eindrucksvoller ist in dieser Hinsicht das Städtchen Stolberg im Südharz, in dem ganze Straßenzüge liebevoll und aufwendig restauriert wurden. Ein beeindruckendes Fachwerk, aber es lohnt sich, auch ins Detail zu gehen. Türen, Schaufenster und vieles mehr sind dankbare Fotomotive. Vom oberhalb gelegenen Schloss hat man außerdem einen herrlichen Blick über die Stadt.

Zwischenzeitlich fast ein eigenes fotografisches Genre und immer beliebter sind die „lost places“. Aufgrund seiner DDR-Vergangenheit findet man im Ostharz viele und interessante „verlorene Orte“. Besonders beeindruckt hat uns das FDGB Heim „Fritz Heckert“, vor allem, weil auch das Innere dieser Ruine der Neuzeit zugänglich ist. Und wer mit offenen Augen durch den Harz fährt findet am Straßenrand viele Relikte aus längst vergangenen Zeiten, die sich einem erst auf dem zweiten Blick erschließen, zum Beispiel das Hotel Brockenblick in Friedrichsbrunn. Die Nostalgie, die dieses Haus ausstrahlt, wäre komplett, wenn in einem der Fenster noch ein Schild „Draußen nur Kännchen“ hinge oder ein Trabi vor der Tür stünde.

Am letzten Tag besuchen wir die Roseburg, die vieles in sich vereinigt: Dornröschenschloss, romantische Parkanlage mit vielen Skulpturen und stattlichen Bäumen, aber auch ein wenig „lost places“ findet man hier. Anfangs ist man fast erschlagen von der Vielfalt dieser Gartenanlage im Stil des italienischen Barock. Lässt man aber alles ein wenig auf sich wirken (was ein Fotograf bekanntlich ja immer tun sollte), nehmen die möglichen Motive kein Ende. Geschaffen und fertiggestellt wurde dieses kuriose, aber liebenswürdige Kleinod 1908 vom Berliner Architekten Bernhard Sehring. Und noch ein Kuriosum: in den 50er und 60er Jahren waren die Gebäude der Roseburg laut Wikipedia eine Ausbildungsstätte für Geflügelzüchter….

Wie immer auf unseren Reisen ist diese Woche viel zu schnell vergangen. Neben dem fotografischen Erlebnis kam der Erfahrungsaustausch zwischen den Teilnehmern untereinander als auch dem Referenten nicht zu kurz. Jede(r) Teilnehmer(in) hat für sich mehr oder weniger viele Ideen und Anregungen für seinen/ihren weiteren Weg in der Fotografie bekommen, zum Beispiel einmal die unglaublichen Möglichkeiten des Einsatzes von Luminanzmasken in Photoshop auszuprobieren. Sollte sich jemand dafür entscheiden, braucht die/derjenige in diesem Winter keine Angst mehr vor langen Abenden haben.