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Fotoreise Venedig Januar

Venedig ist kalt dieser Tage. Die Quecksilbersäule auf dem Thermometer hat sich knapp über die null Grad eingerichtet. Wohlgemerkt bei Tage, nachts zeigt es sogar einige Minusgrade.

 
Venedig ist aber auch warm dieser Tage. Trotz der gemessenen Temperaturen sorgt der kräftige Sonnenschein für wohliges Empfinden auf Haut und Seele. Hinzu kommt das fantastische Winterlicht, das Fotografen bei dieser Qualität und den immer neuen Motiven verzaubern kann.
 
Venedig ist gemessen kalt, gefühlt aber warm. Und wie immer einfach zauberhaft. Gerade jetzt im Winter, wenn den touristischen Massen die Stadt nicht die volle Attraktion bietet: Sommer-Sonne, laue Abende und Trubel. Und genau auf den können wir verzichten und genießen die winterliche Ruhe und Beschaulichkeit bei jeder unserer Fotoreisen immer auf´s Neue. 
 
Zur Wohlfühltemperatur trägt neben der intensiven Sonnenstrahlung auch der Wind bei, der ganz oder fast ganz seine Tätigkeit eingestellt hat. Dadurch ruht wiederum das Wasser in den Kanälen und bietet einen wunderbaren Spiegel, in dem sich Hausfassaden, Brücken, der Himmel und Menschen reflektieren. Ideale Bedingungen für uns Fotografen.
 
Wer gern die Grenzen der dokumentarischen Fotografie sprengt, kommt jetzt auch auf seine Kosten. Motive, Lichtstimmungen und -reflexe verführen zu impressionistischen Darstellungen. Wer bisher noch keine Erfahrungen mit diesem Changre gemacht hat, kann jetzt erste Schritte machen mit Unterstützung des Referenten. Wer die aus der Malerei übernommenen Merkmale umsetzt, kann zu intensiven Bildern kommen und erliegt in der Folge nicht selten dieser licht-feinen Art der Fotografie.
 
Stille mit kurzen Unterbrechungen
 
Neben diesem optischen Verwöhnprogramm genießen wir auch den niedrigen Geräuschpegel, der um vieles sanfter ist als in anderen Städten dieser Größe mit volumigem Straßenverkehr. Die Motoren der Vaporettos, die anstelle von Bussen den lokalen Personentransport auf dem Wasser bewerkstelligen, sind kaum zu hören und brummen nur in den Ohren bei An- oder Ablegemanövern an den zahlreichen Stationen.
 
Die Stille durchbrechen nur ab und an einige ohrbestöpselte Lauttelefonierer, die es selbst in Venedig gibt. Dabei spielt natürlich das südländische Temperament eine Rolle. So brüllt ein kräftiger Bauarbeiter zornige Flüche in sein Handy, dass es noch zwei Gassen weiter zu hören ist. Dabei fuchtelt er so theatralisch mit den Armen, dass sich vorbeigehende Passanten nur durch einen sicheren Abstand vor einem versehentlich Stoß in den Kanal bewahren können.
 
Möwen, Tauben und Hunde
 
Diese phonetischen Ausreißen sind jedoch absolute Ausnahmen. Für ein eher gleichmäßiges Klangbild sorgen vor allem die Möwen mit ihrem fordernden Gekreische. Sie sind überall in der Stadt, wo etwas für sie abfallen könnte. Vornehmlich natürlich auf Marktplätzen, auf denen Waren angeboten werden und Reste in den Müllbehältern wandert.
 
Neben den krakelenden Möwen, die in ihrem Reinweiß stets wie frisch gewaschen ausehen, sind allerorts die Tauben unterwegs. Gemeinsam mit den kräftigeren und größeren Möwen spekulieren sie darauf, was für sie an Verzehr übrig bleibt.
 
Passen die beiden Vogelarten durchaus ins Stadtbild, erscheinen mir andere Tiere immer wieder ein wenig fremd an diesem Ort mit engen Gassen, kaum Grasflächen und noch weniger Bäumen. Die Rede ist von Hunden, die wahrscheinlich selbst nicht glücklich sind, in diesem Umfeld zu vegetieren. Und es sind nicht nur kleine Pinscher, Dackel und Pudel, nein auch mächtige Schäferhunde, Windhunde (meist im Doppelpack) und sogar Huskies begleiten untertänigst ihre Herrschen und Frauchen, die nicht selten gegen den Winter in voluminösen Pelzmänteln dahinschreiten.
 
Teurer Wohnraum
 
Die Damen gehören vermutlich zu den wenigen Venezianern, die es sich noch leisten können in der Touristenhochburg zu wohnen. Dass viele hier Geborene in billigeren Wohnraum auf das Festland nach Mestre verdrängt wurden, ist der Attraktivität Venedigs zu „verdanken“, der jährlich Millionen von Besuchern erliegen.
 
Unser „Schuldgefühl“ hält sich dabei in Grenzen, da wir in einem Hotel übernachten und keine privaten Wohnungen belegen, die in großer Zahl zu noch größeren Preisen direkt oder über Agenturen an Touristen vermietet werden. Hinzu kommt, dass wir Venedig stets im Winterhalbjahr besuchen, wenn sich die Einheimischen vom Massenansturm der Hauptsaison erholen und mehr Raum für sich haben.
 
Wie wenige Menschen zu bestimmten Zeiten selbst an den attraktivsten Orten der Stadt unterwegs sind, sehen wir wieder einmal, als wir schon zu früher Stunde weit vor Sonnenaufgang unsere Stative am Markusplatz aufbauen. Außer einigen Straßenkehrern, zwei adretten Polizisten beiderlei Geschlechts und einer handvoll Gleichgesinnter ruht der Platz in sich mit seinen Palästen, Türmen und Arkaden. Dieser Ort war einst ein Symbol der Macht und der Inbegriff für Wohlstand, Handel und Kunst.
 
Prachtvoller Markusplatz
 
Und wir stehen nun hier und möchten einen Hauch dieses Zaubers gekonnt in unseren Kameras festhalten. Die gut ausgeleuchtete Kulisse fordert geradezu dazu auf, in ihrem ganz Stolz abgelichtet zu werden, um der Welt noch ein wenig mehr zu zeigen, welche Pracht dieser Platz und diese Stadt ausstrahlen.
 
Nachdem das Licht in der frühen Dämmerung ausgeschaltet ist, zieht es uns hinunter zu den Gondeln, die im kabbeligen Wasser vor sich hintanzen. Sie bilden einen markanten Vordergrund zur imposanten Kulisse der Prachtbauten Basilika di Santa Maria della Salute auf Dorsoduro und Chiesa di San Giorgio Magier auf Giudecca. Jetzt kann man mit dem schwindenden Licht des frühen Morgens und den ersten rot-orange-gelben Strahlen des neuen Tages spielen und – sich – sein eigenes Bild machen. Zuvorderst heißt es, ein anziehendes Motiv zu finden, danach den richtigen Standort und Bildwinkel. Hat man dann auch noch eine individuelle Bildidee und kann sich gar vorstellen, wie das gedruckte Bild an der Wand aussehen wird, dann, ja dann hat man´s geschafft.
 
Pastelltöne in der Wintersonne
 
Nach dem frühen Shooting (klingt mir immer wieder zu militärisch) geht’s zurück in´s Hotel, wo das Frühstück wartet. Danach Bildbearbeitung, Besprechung und danach Nach Cannaregio, im Volksmund überliefert auch genannt Ghetto, dem jüdischen Viertel der Stadt. Auch hier warten wieder die wunderbaren zarten Farben der Fassaden auf uns, die die Wintersonne in Pastell-Tönen reflektieren lässt. 
 
Wetter und Licht bleiben uns die ganze Woche treu bei unseren Streifzügen durch Dorsoduro, San Marco, Cannaregio und Giudecca. Ob vor Sonnenaufgang an der Academia-Brücke oder beim ersten Licht des Tages auf dem Markt, wir haben immer ideale Bedingungen zum Fotografieren.
 
Eine Ausnahme bildet das Wetter inmitten der Woche bei unserem Ausflug zur Friedhofsinsel Cimintero di San Michele in Isola und zur bunten Fischerinsel Burano. Der dichte Neben lässt die intensive Sonne an diesem Tag nicht durchdringen. Aber gerade diese beiden Orte gewinnen mit dem dunstigen Schleier eine Stimmung wie sie treffender nicht sein kann. 
 
Nebel über den Gräbern
 
Der Nebel legt sich auf dem historischen Friedhof wie Trauer über die liebevoll gestalteten Gräber und Gedenksteine und -säulen. Der Dunst schluckt jegliches Geräusch und verbreitet gar ein wenig Schwermut und das Gefühl der Abgeschiedenheit. Viele der Bilder geben später bei der Bildbesprechung diese besondere Stimmung wieder.
 
Auch die schrill-bunten Häuser Buranos wirken bei diesem gedämpften Licht weicher und zarter, ohne die Vielfalt der Farben zu verlieren.
 
Die wärmende Sonne bleibt an diesem Tag hinter dem grauen Vorhang. Ihre Aufgabe übernimmt der eine oder andere Kaffee, Tee oder Kakao in den ortstypischen Bars. Dazu ein Stückchen Würziges oder Süßes und schon kann es wieder hinausgehen in diese einmalige Atmosphäre, die diese Inselwelt so einmalig macht.
 
Wir haben wieder einmal Venedig mit allen Sinnen wahrgenommen. Viele Bilder der Teilnehmer haben diese Stimmung und Atmosphäre festgehalten und werden die Erinnerung an diese einmalige Stadt vertiefen.