Da ist es wieder, dieses Gefühl heim zu kommen. Zurückzukehren in eine eigene kleine, überschaubare Welt. Mit jeder neuen Reise in die Toscana verstärkt sich dieses Empfinden. Die Form der Landschaft, die Beschaulichkeit der Dörfer und Städte und die Lebensart der Menschen dieser Region schaffen Vertrautheit,- ein wenig Heimatgefühl also.
Mit diesem Eindruck beginnt unsere Reise in Florenz, wo seit einiger Zeit unsere Toscana-Fotoreisen beginnen und enden. Das Schlendern durch Gassen und über Plätze lassen den Besucher eintauchen in das wahre Leben dieser von Kultur, Kunst und Lebensart geprägten Stadt. Zudem wohnen wir in einem ursprünglichen Stadtteil, der nicht von Touristen geflutet ist. Die Magneten liegen am anderen Ufer des Arno. Auf unserer Seite hält sich der Prunk in Grenzen, hier schwimmt man im Alltag der Einheimischen mit. Viele junge Gesichter zeigen sich, Lebensfreude, Farbe und Leichtigkeit. Florenz ist eben auch Studentenstadt. Kleine Läden prägen das Bild des Stadtteiles, kleine Bars und Restaurants ohne Schnickschnack, Motorroller überall. Nur wer hier wohnt darf sein Auto mit Sondergenehmigung durch die Gassen jonglieren.
Für alle Sinne…
Nach einer ersten Präsentation und Information zur bevorstehenden Reise in unserem Hotel mitten in der Altstadt treffen wir uns einige Gassen weiter am Rand eines belebten Platzes zum gemeinsamen Abendessen. Dabei werden alle Sinne im Übermaß bedient. Leckeres Essen und Trinken für den Gaumen und satte südländische Geräuschkulisse für die Ohren. Dabei fällt mir immer wieder auf, dass man im Süden nicht nur mit dem Mund, sondern auch mit den Händen spricht. Und: Alle sprechen zur gleichen Zeit. Ob dabei auch jemand zuhört, bleibt offen.
Und zum Abschluss gibt es auch noch etwas für die Augen: Der Blick auf den Arno mit seinen dezent beleuchteten Häusern am Ufer. Und über allem thront der Vollmond. Für uns Fotografen ein Klassiker, den wir gern auf unsere Sensoren bannen.
Am nächsten Tag erreichen wir nach zweistündiger Fahrt unser traumhaft gelegenes Hotel in Bagno Vignoni, einem historischen römischen Bad, das auch heute noch viele Besucher Wellness-verwöhnt.
Am späten Nachmittag fahren wir zu den Cipressi di San Quirico d´Orcia, der wohl meistfotografierten Zypressengruppe der Toscana. Der Volksmund nennt die Hügel auch „Hundefriedhof“. Wieder einmal haben sich viele Fotografen in Stellung gebracht, um sich ihr eigenes Bild von dem vielpropagierten Ort zu machen.
Zur rechten Zeit am richtigen Ort
In den nächsten Tagen haben wir ein strammes Programm. Denn den Fotografen unterscheidet vom Knipser, dass er sich den Gesetzen der Lichtbildnerei unterwerfen muss, sollen denn am Ende anspruchsvolle Bilder oder gar kleine Kunstwerke stehen. Und das heißt vor allem, zur rechten Zeit am richtigen Ort zu sein. Licht und Wetter bestimmen von nun an, was wann wo geschieht.
Mit dem Wetter haben wir Glück. Wir erwischen eine wunderbare Spätsommerphase mit wohligen Temperaturen und prachtvollem Sonnenschein. Doch dieser allein macht den Fotografen nicht glücklich; denn Licht ist nicht gleich Licht. Es kommt vor allem auf die Qualität an. Und die ist nun einmal am besten in frühester und spätester Stunde des Tages. So stehen wir denn auch schon rechtzeitig vor Sonnenaufgang in der Blauen Stunde mit Kamera und Stativ bereit, um das warme Morgenlicht einzufangen. Am Abend ist dann die Stunde vor Sonnenuntergang unsere Zeit, um die ausdrucksstarke Landschaft auf den Sensor zu bannen.
Volles Programm
Die Tage sind lang für Fotografen. Da heißt es schon, um fünf Uhr auszustehen und oft erst um Mitternacht in die Federn zu kommen. Nach der morgendlichen Session gibt es Frühstück und danach Bildbearbeitung. Dazu fahren wir durch die Crete, um nach guten und neuen Standorten Ausschau zu halten für die morgendliche und abendliche Fotografie. Zweimal in der Woche betrachten wir bei Bildbesprechungen noch die geschaffenen Werke. Und natürlich sollen auch noch Siena, Pienza und Asciano besucht werden. Und nicht zu vergessen sind natürlich eine berühmte Abtei mit Kloster und das kleine Bergdorf mit Burg, das über unserer Unterkunft thront.
Unser Hotel liegt am südlich Rand der Crete Senesi. Damit bietet sich uns eine ganz besondere Landschaft direkt vor der Tür. Wir haben dadurch relativ kurze Wege zu großartigen Motiven. Der Blick über die weit auslaufenden Hügel erinnert an gewaltige, zu Erde gewordene Atlantikwellen. Manchen mag diese Landschaft auch an ausgeprägte weibliche Formen erinnern. Die Crete ist trist in ihrem Bewuchs und lebendig in ihrem Wechsel der Farben und des Lichtes. Schimmert die vorherrschende Tonerde grau, zeigt sich der schwefelhaltige Boden gelb. Die weit auslaufenden Weizenfelder zeichnen ein sattes Grün im Frühling ins Land und verwandeln sich im Sommer zu einem kräftigen Gelb.
Unzählige Motive
Trotz aller Gleichförmigkeit der Landschaft bietet die Crete unzählige Motive. Wer ein Auge hat für diese wunderbaren Ansichten, kann immer neue fotografische Wunderwerke kreieren. All zu sehr werden jedoch bekannte Motive gewählt, bei denen sich oft wahre fotografische Regimente ansammeln,- zum Schuss bereit. Einer dieser Klassiker ist das Gut Belvedere, der sich zu einem wahren „Model“ entwickelt hat. Ein Engländer erzählte mir einmal, dass er seit vielen Wochen jeden Morgen zum Sonnenaufgang bereit steht an diesem Ort, um ihn in möglichst vielen Nuancen an Licht und Wolkengebilden abzulichten. Da ist jemand einer Schönheit verfallen.
Der Anspruch eines guten Fotografen sollte jedoch nicht sein, alles nachzumachen, was es schon unzählige Male gibt. Gerade hier in der Crete warten nach jeder Kurve neue Besonderheiten von unvergleichbarer Schönheit. Diese wahrzunehmen und fotografisch umzusetzen, sollten – auch – der Anspruch leidenschaftlicher Fotografen sein. Diese zu erkennen und lichtbildnerisch in Szene zu setzen, ist Herausforderung und Kunst zugleich. Aber Fotografie ist nun auch einmal eine Kunst.
Zugabe ist der wahre „Star“
So öffne sich uns der Blick nach einer frühmorgendlichen Session bei einer „vielgeknipsten“ Kapelle auf dem Nachhauseweg nach einer Wegbiegung auf ein bezauberndes weiterlaufenden Tal in der Morgensonne. Diese vermeintliche Zugabe wird an diesem Morgen jedoch der wahre „Star“, wie wir bei der nächsten Bildbesprechung sehen werden.
Am Ende der Reise kehren wir zurück nach Florenz in unser „Start“-Hotel in der Altstadt und lassen diese von vielen Eindrücken geprägte Woche bei einem guten Abendessen ausklingen.
Es war wieder einmal eine an Eindrücken reiche Woche, die den Besucher noch ein wenig näher gebracht hat diesem wunderbaren Flecken Erde.