Von außen betrachtet mag diese Fotoreise ein Unternehmen der besonderen Art gewesen sein. Tag für Tag erfuhr man über Medien, dass ein heftiges Hochwasser Venedig heimgesucht haben soll. Katastrophenalarm und der Ausruf des Notstandes ließen im Kopfkino der sicher im Trockenen Weilenden den Untergang der Stadt ahnen und befürchten. So war es durchaus erklärbar, dass mich einige Tage vor Reisebeginn Anrufe und Mails erreichten mit der Frage, ob unter diesen krassen Umständen denn überhaupt die Reise anzutreten es sich empfehle.
Nun, um es vorweg zu sagen: Ja, es lohnte sich auch bei dem düsteren Szenarium nach Venedig zu kommen. Und: Nein, es wurde niemand gefährdet oder behindert, die Fotoreise wieder einmal in vollen Zügen zu kosten.
Katastrophe ?
Ich kann dies behaupten, weil ich mich bereits einige Tage vor Reisbeginn in der Lagunenstadt am Ende der Adria aufhielt. Sozusagen inmitten der „Katastrophe“. Nun mag man sich fragen, wie sich denn so eine Gefahrenlage in der Außendarstellung ergeben kann, wenn sich nach eigenem Erleben eine solche auch nicht ansatzweise belegen lässt.
Ich möchte hier das Thema nicht all zu weit ausbreiten, weil es in unserer „bedrohten Welt“ nur einen Teilaspekt der Gesamtlage einnimmt und hier nicht der Platz ist, ein Ereignis weiter auszubreiten, das – wieder einmal – dazu dient, Stimmung zu erzeugen, um Zwecke zu erfüllen. Ja, es geht um Stimmung, die es wie auch andernorts und zu andrer Zeit dient, um Angst zu verbreiten und Grundlagen zu schaffen für Bitten, Forderungen und Regeländerungen zum Wohle bestimmter Personen und Gruppierungen.
Erzeugte Stimmungen
Das mögen harte Worte sein, doch treffen sie meiner Meinung nach den Zeitgeist, in dem fast jeder in Medien als Star oder Superstar bezeichnet wird, von dem die Allgemeinheit noch nie oder nur rudimentär etwas vernommen hatte. Und ebenso werden Stimmungen erzeugt, mit denen täglich auf neue Sensationen, Katastrophen und Weltuntergänge hingewiesen werden.
In meiner Zeit als Journalist habe ich in einer soliden Ausbildung gelernt, immer die fünf „W“ als Grundlage der Berichterstattung und Hintergrundinformation zu betrachten. Das sind das „Was“, „Wo“, „Wann“, „Wie“ und – jetzt wird’s wichtig – das „Warum“. Warum ist dieses und jenes passiert? Weitergedacht: Wer hat letztendlich einen Nutzen aus einem bestimmten Geschehen.
Nun, es sind oft Medien selbst, die profitieren, wenn sie eine „Story“ oder ein Ereignis so richtig aufblähen, Aufmerksamkeit erzeugen und dies auch in Form von Auflagen und Werbeeinnahmen umsetzen können. Auch Versicherungsgesellschaften ziehen ihren Nutzen aus überhöhten Darstellungen. Sie müssen zwar erst einmal Schäden begleichen, können dann aber mit der Angst im Volke ihre Prämien mit gutem Grund anpassen, sprich erhöhen.
Auch Berlusconi schaute vorbei
Auch Politiker und Parteien können derartigen Sensationsereignisse und Bedrohungslagen für sich nutzen, indem sie Ängstliche hinter sich versammeln, Wähler aus ihnen rekrutieren und neue Steuern einsammeln zum künftigen Schutz vor weiterem Ungemach. So war sogar Berlusconi in Gummistiefeln in Venedig medienwirksam unterwegs im „Katastrophengebiet“. Und da sollte man spätestens wach werden und sich fragen, wie da das eine zum anderen passt.
Und dann sind da noch bestimmte Kreise aus der „Wissenschaft“ und dem hochdotierten „Beratertum“, die mit vermeintlich höchster Qualifikation dem vermeintlich Schlimmen den Expertensegen erteilen.
Dass schließlich mitten aus dem „Drama“ heraus Rufe laut werden nach Hilfsgeldern („Bis zu einer Milliarde Schaden“), mag auch zum „Warum“ beitragen. Rom und Brüssel werden schon die Kassen öffnen.
Das Wasser kommt, das Wasser geht
Nun, es wäre zu dem ganzen „Geschehen“ gar nicht erst gekommen, wenn das Sperrwerk „Mose“ denn endlich sein Werk verrichtet hätte, dessen Fertigstellung seit Jahren auf sich warten lässt und sich vor allem durch Korruption und vielen Nachlässigkeiten zur „Unvollendeten“ entwickelt hat.
Und es wäre auch nicht so viel Wasser in die unteren Etagen der historischen Gebäude gelaufen, wenn geeigneter Schutz anstatt aufgequollener Faserplattten dem Nass den Weg versperrt hätte. Dabei sei noch erwähnt, dass kein Mensch in Not geraten ist oder gar Schaden an Leib und Leben genommen hat bei dem aktuellen Ereignis. Zumal, weil es in Venedig keine Keller gibt (logisch) und die Wohnräume sich in der Regel in den oberen Etagen befinden. Da wartet man dann den Höchststand des Wasser ab und geht dann wieder durch die Gassen und auf die Plätze. Wenn man den vollständigen Rücklauf des Wassers nicht abwarten kann oder will, zieht man sich Gummistiefel an oder nutzt die speziell fürs Aqua Alta bereitstehenden Stege.
Übertreibungen
Mir ist klar, dass es viele Ereignisse und Entwicklungen gibt, bei denen und durch die Menschen die Lebensbedingungen auf „unserem“ Planeten beeinflussen und gefährden. Das ziehe ich nicht in Zweifel. Mir geht es hier um Übertreibungen und Sensationsgeheische, das keinem dient und vor allem den Geist vernebelt. Und dafür bot dieses Aqua Alta ein treffendes Beispiel.
Nun noch kurz zurück auf Venedig der nassen Tage. Diese erlebt die Bellissima seit jeher. Die Stadt wurde schließlich sozusagen in das Wasser gebaut und damit gehörte schon immer das Aqua Alta zum Alltag dieser Stadt. Meist hält sich der Wasserstand in Grenzen, machmal aber steigt er auch auf Rekordhöhen. So geschehen in den Tagen vor unserer Fotoreise im November.
Die Ursache ist unter Fachleuten klar. Überhöhtes Hochwasser flutet die Stadt, wenn Wind, Wetterlage und Mondstand die entsprechende Konstellation bilden. Und so war es auch diesmal. Die Bora, ein starker Wind aus den Bergregionen im Norden und Osten, ein kräftiges Tiefdruckgebiet und der Vollmond trafen in ihrer Wirkung mit besonderer Kraft zusammen und „bescherten“ der Stadt ein Aqua Alta mit einem besonderen Hochstand. Weder Regen noch schmelzende Gletscher noch CO2-Ausstoß führten zur Ausnahmesituation. Dass es schon vor Jahrhunderten extreme Hochwasser in Venedig gab, zeigen alte Gemälde, auf denen Gondeln über den Marktplatz schippern. Also weit vor unseren hysterischen Zeiten…
Wir hatten eine gute Zeit
Und nun noch einmal zurück zu unserer diesjährigen Fotoreise im November. Nun, wir waren wieder einmal in der ganzen Stadt unterwegs zu allen Tageszeiten bis hin zu den vorgelegten Inseln. Wir verlebten eine wunderbare Woche mit vielen spannenden Motiven und hatten eine Menge Spaß und viel zu lachen. Es ging zu keiner Zeit ums „Über“leben, sondern immer nur ums „Er“leben in dieser wunderbaren Stadt, die es in ihrer Einmaligkeit nicht noch einmal gibt auf Erden.
Stand das Wasser einmal knöchelhoch in den Gassen, machten wir es uns gemütlich in unserem schönen, wohligen Hotel, bevor es wieder hinausging, um das besondere Flair dieser Stadt im Bild festhalten, inklusive Aqua Alta…