Dieser unendliche lange und breite Strand. Dieser weite Himmel und das grenzenlose Meer. Alles ist hier ein wenig größer. Und alles scheint uns fast allein zu gehören. Ja, es ist eine gute Idee um diese Zeit des Jahres an die Nordseeküste zu fahren. Und wir haben es wieder getan, zum dritten Mal in Folge, zum neunten Mal insgesamt. Wo im Sommer tausende den Strand, die Sonne und das Meer genießen, herrscht jetzt Ruhe und Gelassenheit.
Eine Woche verbringen wir Anfang Dezember wieder in St. Peter-Ording. 24 Gäste und sieben Freiraum-Mitarbeiter. So groß war die Gruppe noch nie bei unserer inzwischen traditionellen Jahres-Abschluss-Reise. Viele in der Gruppe kennen sich von gemeinsamen Reisen mit uns, einige haben schon über zehn, manche über 20 Reisen mit uns unternommen. Wir Referenten kennen sie seit Jahren, haben ihren Werdegang verfolgt. Es sind nicht wenige Könner und Meister dabei, jeder hat sein Handwerk gelernt bei den „Wiederholungstätern“, die immer wieder mit großartigen Bildern begeistern.
Aber es sind auch neue Gesichter in der Gruppe. Frauen und Männer, die uns Referenten erst einmal „beschnuppern“ wollen und sich die Erfahrungen der Routiniers anschauen und anhören möchten.
Viel Naturfür uns fast allein
Es ist sicher nicht jedermanns Sache, im Winter an die Nordsee zu fahren und dies auch noch zu genießen, Wir Fotografen sind dankbar dafür, dass wir dieses prächtige Naturschauspiel fast für uns allein haben. Wir bekommen Motive ursprünglichen Charakters geliefert, ob am weiten Strand und Meeresaum als auch im Landesinnern mit seinen kleinen Dörfchen, Haubargen und dem stillen Vorland und Watt hinter den Deichen.
Ein wenig mehr Leben bietet sich in den historischen Städtchen Husum, Friedrichstadt und Tönning. In vier Gruppen fahren hinaus in das flache Land und lernen Tag für Tag, genau hinzuschauen und die Kleinode als Motive wahr zu nehmen. Es gibt hier nichts spektakuläres. Davon werden wir ohnehin im Alltag daheim oft überfrachtet. Hier wirken Wind, Wellen, Sand, historische Bauwerke und die Kraft der Natur.
Genuss der besonderen Art
Der Genuss reicht von der reinen, sauerstoff- und jodreichen Luft bis zu den Kaffee-Torten-Gelagen in den gutpositionierten Land-Cafes. Ja, das ist ein Thema für sich. Böse Zungen würden behaupten, wir richteten unsere Fahrstrecken nach ebenjenen Verführtungs-Stuben ein wie einst zu Postkutschenzeiten, in denen man sich von Station zu Station hangelte, um Pferde zu versorgen und als Reisender Kraft in Form von fester und flüssiger Nahrung zu „tanken“.
Doch Genuss darf sein und muss sein. Und der zeigt sich auf der Halbinsel Eiderstedt in guter friesischer Natur. Eben weil hier alles ein wenig größer ausfällt, haben auch die Tortenstücke für den bislang Unwissenden ein Ausmaß, dass man meinen mag, da habe sich beim Schneiden der Stücke ein Übermaß an Großzügigkeit Raum gegriffen. Liest man aber dann im Cafe den Hinweis „Ein Stück Torte unter 300 Gramm ist ein Keks“, so weiß man, dass man einem Standardmaß gegenübersitzt, das nicht nur dem Genuss, sondern auch der Sättigung dient.
Man ist gut beraten, ein solches Monsterstück rechtzeitig vor dem Abendessen zu verdrücken, da für jenes sonst kein Platz mehr übrig ist zu später Zeit.
So erhalten wird Referenten nicht nur Lob und Zuneigung für die gut gewählten Fotoplätze, sondern auch dafür, dass wir diese Tortentour im nordischen Flachland in unser natürliches Navigationssystem eingebaut haben.
Blick für die Feinheiten
Diese Oasen der lukullischen Lust, in der auch Kaffee, Friesentee und Kakao das Geschmacksbild abrunden, erweisen sich als hilfreiche und angestrebte „Rettungsstationen“ bei Schietwetter. So bezeichnet man in dieser Region Regen, Wind bis Sturm und Nebel. So ein Schmaus zwischendurch motiviert zu neuen Taten, scheint vor den Elementen zu schützen und wirkt über Stunden positiv nach (mit der Freude, am nächsten Tag auf ähnliche Weise getröstet zu werden).
Das soll nun nicht heißen, dass es hier um eine Gourmet-Reise handelt, zumal das reichhaltige Frühstück und das wunderbare Abendessen in unserem Hotel durchaus diesen Schluss in der Gesamtheit zulassen würden. Nein, natürlich stand die Fotografie im absoluten Vordergrund. Zumal die optischen Feinheiten der Region von Tag zu Tag besser wahrgenommen wurden.
Das zeigt sich bei der Bildbearbeitung in unserem Hotel, das uns eine Woche „allein gehört“. Wie bei den Aufnahmen draußen kann man hier bei der Bearbeitung drinnen warm und trocken seiner Kreativität frönen. Eigene Werke kreieren und dem anderen über die Schulter schauen. Die „Beute“ zu betrachten und in die richtige Form zu bringen, ist die wahre Freude.
Wir machen Druck
Dazu haben wir uns in diesem Jahr noch einiges mehr einfallen lassen. Nach dem Motto „Wir machen Druck“ lassen wir die besten Werke von der Festplatte auf´s Papier springen. Und das ist ein Erlebnis der besonderen Art. Damit werden die Aufnahmen wahrhaft zum Leben erweckt. Und gleichsam wird die Erkenntnis wahr, dass Bilder an die Wand und auf den Tisch (in Form von Fotobüchern) gehören. Zumindest die besten Werke.
In Kurzworkshops gibt´s dazu Informationen zum Stand der Technik, die sich in kurzer Zeit rasch entwickelt und immer neue Möglichkeiten und Apps gebiert. Da wird einiges gezeigt, was bisher unbekannt war oder noch nicht richtig verstanden wurde. Vor allem für den technik-afinen Fotografen eine Bereicherung und ein Aha-Erlebnis.
Zauberlicht zum Sonnenaufgang
Wer nun meint, wir hätten uns eine Woche lang an der Küste mit Regen und Sturm herumgeschlagen, dem sei gesagt, dass uns einige Tage wunderbares Licht bescherten. Einer der Höhepunkte war der Gang zur Blauen Stunde an den vor der Haustür liegenden Strand, bei dem wir mit einem wahren Zauberlicht zum Sonnenaufgang belohnt wurden.
Am Ende wurde das Wort zum Programm. Wir hatten eine Woche lang viel, viel freien Raum für uns am Strand, im Binnenland und im Hotel. Freiraum halt.
Und wir erkannten, dass das Gegenteil einer Tortur ein Tortentour ist. Phonetisch verwandt, in der Wirkung jedoch diametral gegensätzlich.