Neu im Freiraum-Programm: Die Baja California – Mexikos Wilder Westen. Ausgangspunkt dieser Reise ist San Diego, wo wir nach langem Transatlantikflug und fast ebenso langem Transkontinentalflug von Lars, unserem Reiseleiter, erwartet werden. Der nächste Tag beginnt mit der Fahrt zur nicht weit entfernten mexikanischen Grenze. Wegen der vielen Pendler, die diese Grenze überschreiten, gehört San Ysidro mit jährlich 40 Millionen Personen und 14 Millionen Kraftfahrzeugen zu den am meisten frequentierten Kontrollpunkten der Welt. Zum Glück ist heute Sonntag und somit sind die Grenzformalitäten für uns schnell erledigt.
In den ersten Stunden geht es durch die dicht besiedelten Großräume Tijuana und Ensenada, die von industrieller Landwirtschaft, vornehmlich Obst und Gemüse, geprägt sind. Einzige Abwechslung sind wunderschöne Ausblicke auf die pazifische Küste.
Irgendwann am Nachmittag endet dann aber die Zivilisation und wir biegen ab ins Landesinnere, zur Melling Ranch, der ersten Station unserer Reise. Die Ranch liegt in einem weiten Tal und ist umgeben von sanften Hügeln. Es wird neben den rustikalen Unterkünften Rinder- und Schafzucht betrieben. Die Stromversorgung erfolgt über einen Generator, der gegen 22:00 abgestellt wird. Da heißt es haushalten mit unseren Akkus, fast wie zu Zeiten der 36er Analogfilme. Die vielen Details und die alten Gerätschaften auf der Ranch eignen sich vorzüglich für erste fotografische Fingerübungen.
Am nächsten Tag besuchen wir den Nationalpark Sierra de San Pedro Mártir. Aufgrund der Höhenlage von über 2.000m gibt es hier Bäume, die so überhaupt nicht in unser Mexikobild passen. Wir fühlen uns eher in die Sierra Nevada in Mittelkalifornien versetzt. Auf kleinen Spaziergängen abseits der Piste versuchen wir, die Spuren des rauhen Klimas, das hier im Winter herrscht, fotografisch umzusetzen.
Nach diesen ersten Eindrücken geht es am Folgetag weiter Richtung Süden. Ab jetzt werden zwei sich täglich abwechselnde Landschaften unser Begleiter sein: Die Wüste und das Meer.
Die Wüste
Hinter dem Städtchen El Rosario, dort wo die Mex 1 ins Landesinnere abbiegt, beginnt der aufregende Teil der Baja: Einsame Landschaften, bizarre Felsformationen und die skurrilsten Pflanzen, die man sich vorstellen kann. Wüste definiert sich ja bekanntlich als Ort, an dem weniger als 250 mm Niederschlag pro Jahr fallen (zum Vergleich: Frankfurt kommt auf etwa 1.000mm) – auf der Baja gibt es Gegenden, die kommen nicht mal auf die Hälfte. Überleben ist hier ein Härtetest und somit eine Angelegenheit für Spezialisten: Kakteen beherrschen die Landschaft, 120 Arten kommen hier vor, 70% davon endemisch. Wir sehen Pflanzen, die teilweise nicht von dieser Welt zu sein scheinen.
Der größte aller Kakteen ist der Cardon, ein wahrer Gigant der Wüste, der größte Kaktus der Erde. Der Cardon kann 200 Jahre alt werden und erreicht in dieser Zeit eine Höhe von bis zu 18 m und ein Gewicht von rund 12 Tonnen. Eine wahre Erfolgsgeschichte, und das in einer der unwirtlichsten Gegenden unseres Kontinents.
Beeindruckend auch der bizarre Cirio mit seinem bis zu 16m hohen und dünnen Stamm, dessen Ende mit einem hellbraunen Blütenstand gekrönt ist.
Mit ein bis zwei Meter deutlich kleiner die Chollas. Als besonders fies erweisen sich abgefallene Triebe. Wenn die sich oberhalb des Knöchels am Wanderer festbeißen, scheint es, als könnten sie die Höhe im Sprung überwinden. Daher der Name „Jumping Cholla“.
Diese Flora ist eingebettet in weitläufige, teils vulkanische, Gebirgslandschaften (Die Baja ist Teil der St.-Andreas-Verwerfung), oder in Ebenen mit riesigen Granitfelsen, Reste einer jahrtausende alten Verwitterung. Besonders in den Boulder Fileds rund um Cataviña entsteht der Eindruck, als sei die Landschaft von Riesen gestaltet worden.
Dem Fotografen bieten sich hier unzählige Linien, Formen und Strukturen. Die Herausforderung besteht darin, Ordnung in dieses Chaos zu bringen. Freistellen ist in der Baja eine Herkulesaufgabe! Zur Belohnung ist diese Gegend absolut touristenfrei und man muss nicht mit 500 anderen Fotografen um die beste Perspektive kämpfen.
Das Meer
Das zweite prägende Element der Baja ist das Meer. Umspült vom Pazifik im Westen und dem Golf von Kalifornien , der die Baja im Osten vom Festland trennt, kann die Halbinsel mit 4.800km Küstenlinie glänzen! Zum Pazifik fällt die zentrale Gebirgskette der Baja an vielen Stellen recht flach ab und bildet weite, flache Landschaften, die teils von vielfarbigen Salzlagunen durchzogen sind. Direkt an der Küste gibt es dann viele flache Buchten und Nehrungen, von denen zwei besonders hervorgehoben werden müssen: Die Laguna Ojo die Liebre bei Guerrero Negro und die Laguna San Ignacio, benannt nach der gleichnamigen, 50km entfernten Palmenoase.
In diesen beiden Lagunen wiederholt sich jedes Jahr von Dezember bis Mai ein faszinierendes Schauspiel: Grauwale ziehen aus den kalten Gewässern vor Alaska in diese flachen, warmen und nahrungsreichen Buchten, um ihre Jungen zu gebären und großzuziehen. Da die Tiere hier sehr aktiv sind, gilt dieses Gebiet unbestritten zu den besten Plätzen für Walbeobachtungen weltweit. Trotzdem, und das ist erstaunlich, spielt sich alles ruhig und ohne großen Touristenrummel ab. Es gibt ein Restaurant, ein Büro des Veranstalters und einen Steg, von dem die kleinen Boote, gesteuert von lokalen Fischern, auf die Lagune hinausfahren.
Natürlich gibt es auch hier gesetzliche Bestimmungen, die unter anderem die Verweilzeit und den Abstand der Boote zu den Tieren regeln. Aber eine Partei hält sich nicht an diese Regeln: Die Wale (im besonderen die Kälber) sind so neugierig, dass sie sich bis auf armlänge den Booten nähern und es zu genießen scheinen, von den Touristen gestreichelt zu werden. Das hier ist nicht mehr Whalewatching sondern Whaletouching und man fragt sich außerdem, wer hier wen beobachtet: wir die Wale oder die Wale uns.
Und noch etwas versetzt uns hier in Erstaunen: Die unglaublich dichte Population an Seeadlern und ihre geringe Fluchtdistanz zum Menschen. Auf dem recht stark frequentierten Bootssteg für die Walbeobachtungen kann man sich dem Nest, das sich knapp über Augenhöhe befindet, bis auf 20-30m nähern, ohne das die Vögel sich gestört fühlen!
Die steilere Ostküste des Golfs von Kalifornien hingegen bietet malerische Buchten mit über 50 Inseln und Inselchen. Das Klima ist hier milder als an der rauen pazifischen Küste. Große Teile dieses Gebietes stehen unter Naturschutz. Natürlich nutzen wir die Gelegenheit zu mehreren spannenden Bootsausflügen in diese Inselwelt. Wir fotografgieren unzählige Seevögel, Robben und Delfine. Es sind also die langen Brennweiten angesagt und die Herausforderung besteht jetzt darin, im schwankenden Boot das Motiv im Sucher zu finden, anzuvisieren und im Fokus zu halten, also kein leichtes Unterfangen. Neben viel Ausschuss werden wir mit guten Wildlife-Fotos belohnt.
Fast am Ende der Reise, in La Paz, dann noch ein letztes Highlight: Wir fahren hinaus zur Isla Espiritu Santu, wo wir mit Ohrenrobben schnorcheln wollen. Von unserem Boot aus lassen wir uns ins Wasser gleiten und sind schon nach kurzer Zeit sind wir von unzähligen Mutter- und ihren Jungtieren umgeben. Auch hier sind es vor allem die Jungen, die uns aus einem Meter Abstand neugierig anschauen. Aber auch die unzähligen exotischen Fische und vielfarbigen Korallen tragen zur Einmaligkeit dieses Erlebnisses bei. Der Nachmittag dient der Entspannung. Bei kühlen Drinks und einem tollen Picknick lassen diesen wunderschönen Tag ausklingen.
Der letzte Tag in La Paz ist zur freien Verfügung geplant und wir freuen uns schon auf ein wenig Streetfotografie in der mit 300.000 Einwohnern größten Stadt der Baja. Aber schon am Vorabend kommt Lars, unser Reiseleiter mit einer aufregenden Nachricht: In der Bucht sind Walhaie gesichtet worden und es besteht die Möglichkeit, mit dem größten Fisch der Welt (Durchschittliche Länge um die 10m) zu schnorcheln. Keiner von uns will sich diese äußerst seltene Gelegenheit entgehen lassen und alle buchen diese Sonderexkursion. Anfangs kommen uns Zweifel, wie wir den Walhai in dieser unendlich weiten Bucht finden sollen, aber schon nach kurzer Zeit sichtet unser Bootsführer die knapp aus dem Wasser ragende kleine Rückenflosse und die obere Spitze der riesigen Schwanzflosse. Wir gleiten vorsichtig ins Wasser und vermeiden jegliche laute Schwimmbewegung, die das scheue Tier sofort vertreiben würde. Dann können wir diesen riesigen Fisch für ein paar Meter begleiten. Ein Erlebnis, das tief beeindruckt und nur wenige Menschen haben das Glück, so etwas zu erleben,
Die letzten zwei Fotos: Melita Kahl und Wolfram Hogrefe
Fazit
Eine Reise, auf der die Teilnehmer für die Anstrengungen mit faszinierenden Eindrücken und unvergesslichen Naturerlebnissen belohnt wurden. Aus fotografischer Sicht nicht immer einfach, aber letztlich wurde das stete Bemühen mit tollen Ergebnissen belohnt, wie man in der Galerie der Teilnehmer bewundern kann.
Unser Reiseleiter Lars Karkosz hat nicht nur mit perfekter Logistik für einen reibungslosen und angenehmen Verlauf gesorgt, sondern konnte uns auch zwischendurch mit kleinen Überraschungen begeistern, so zum Beispiel mit hausgebackem Karottenkuchen zum ohnehin leckeren „Wüstenpicknick“ oder einem Schluck Tequilla als Sundowner am Rande eines gewaltigen Canyons.