„Man kann Gerüche fotografieren und Geräusche und auch Wind und Wetter“. Diese Aussage der Referenten zu Beginn des Workshops erntet skeptische Blicke und Schmunzeln. Wie soll das gehen?
Dass es geht und mit welcher Intensität, erleben die Teilnehmer des Anfänger-Workshops in Glückstadt am folgenden Tag beim Ausflug nach St. Peter-Ording an die lebendige Nordsee. Nein, es ist nicht das Wasser, es sind nicht wuchtige Wellen, die auf den breiten Strand schlagen. Es ist der kräftige Wind aus dem Osten, der das steigende Wasser während der Flut zurück in die Nordsee drückt.
Die Landratten unter uns halten das forsche Auftreten des schneidenden Ostwindes für einen Sturm, wofür allerdings noch einige Beaufort an windiger Kraft fehlen. Aber auch diese steife Brise ist ein anschauliches Beispiel dafür, dass man Wetter tatsächlich fotografieren kann.
Wind fotografieren
Nicht nur das kräftige Flattern der Fahnen, auch – und vor allem – der über den Strand fegende Sand ist bewegter Zeuge für die heftige Luftbewegung. Also doch, Wetter lässt sich fotografieren.
Doch zurück zum Beginn des Workshops in Glückstadt. Am Anfang steht die Beherrschung des Handwerkszeugs, der Umgang und die Einstellungsmöglichkeiten mit Kamera, Objektiv und Zubehör. Der Kenntnisstand der Teilnehmer ist unterschiedlich. Muss der Eine nicht mehr groß überlegen, wie und warum Blende, Zeit und ISO-Wert eingestellt werden und welche Bedeutung sie für die nächste Aufnahme haben, so kämpft die andere sich Schritt für Schritt auf dem unbekannten „Gelände“ voran.
Blende, Zeit und ISO-Wert. Dazu Brennweite, Tiefenschärfe, Bildkomposition, Goldener Schnitt, Freistellen und der Einsatz von Graufilter und Verlaufsfilter. Da heißt es erst einmal Ordnung schaffen im Oberstübchen und die Ruhe bewahren, damit nicht alles durcheinander purzelt.
Unser ruhig gelegener Workshop-Raum im kleinen, schmucken Hotel „Brückenhaus“ und der direkt vor der Haustür liegende Glückstädter Hafen bieten eine ideale Grundlage für die Theorie und Praxis.
Ordnung im Bild
Doch zurück an die Nordseeküste. Hier herrscht Ordnung, die den Blick für das wesentliche erleichtert. Die ruhigen Flächen des Strandes und der Meeresoberfläche und die Weite des bewölkten Himmels bilden klare Flächen, auf denen sich die Pfahlbauten markant, aber auch dezent abheben. Spaziergänger bilden kleine Punkte, die die Weite dieser Küstenlandschaft im Größenvergleich deutlich machen.
Doch es ist nicht nur die Weite, die den Blick des Fotografen anzieht und zum Komponieren einlädt, es sind zigfache „Gemälde“ im Sand, von denen keines dem anderen gleicht. Muscheln, Strandgut, von Wellen gestanzte Sandstrukturen, Algen und Abdrücke von Füßen und Schuhen sind Inhalte dieser Kunstwerke der Natur. Wer genau hinschaut, bekommt Motive im Übermaß geliefert.
Die zweite kreative Ebene
Am folgenden Tag werden die Bilder im „Brückenhaus“ erst einmal vorsortiert und bearbeitet. Ordnung schaffen und der Kreativität freien Lauf lassen. Beide Bereiche haben durch die digitale Fotografie und die damit verbundenen Bearbeitungsmöglichkeiten erheblich an Bedeutung gewonnen. Sie sind der eigentlich gestalterische Mehrwert, die zweite kreative Ebene nach der Aufnahme.
Tag 3 ist wieder der Praxis gewidmet. Auch in Hamburg weht ein kräftiger Wind durch Speicherstatdt und Hafen City. Da bietet „Elphi“, die neue große Attraktion der Hafenstadt, ein wenig Schutz und Wärme. Und natürlich jede Menge Motive. Von der gegenständlichen, konservativen Fotografie bis hin zum impressionistischen „Malen mit Licht“.
Tags darauf machen wir wieder „Innendienst“ an der Glückstädter Hafenkante. Die wohlige Atmosphäre, untermalt von frischem Apfelkuchen mit Kaffee und Tee, belohnt uns für Ausdauer und Geduld bei Wind und Wetter. Bei der Bildbesprechung zeigt sich, dass der Einsatz sich gelohnt hat und dass gerade beim extremen Wettersituationen besondere Bildwerke möglich machen.